Schattengalaxis I – Infiltration


Ein Auszug aus dem 2. Kapitel von Schattengalaxis I – Die letzten Tage.

Neu Berlin – Rateri II

Jahrhunderte der Raumfahrt, die Entdeckung einer Möglichkeit Lichtjahre in Nullzeit zurückzulegen und noch immer lassen Männer halbnackte Frauen aus einer Torte springen. Was haben wir uns doch entwickelt…

In eben einer solchen Torte steckte Ranai und bereitete sich darauf vor, in einem silbernen Bikini – der weniger verhüllte als ein, um ihre Hüfte und Brüste gezogener Bindfaden – aus ihr herauszuspringen.

Sie hatte kein Problem damit, wenn es ihrer Mission diente schlief sie auch mit ihrem Ziel egal welchen Fetisch es hatte, aber trotzdem fragte sie sich immer wieder, ob Männer die letzten paar Tausend Jahre nicht die Evolution verschlafen hatten. Sie waren so einfach zu manipulieren.

Sie spürte, wie der Wagen auf dem die Torte stand in Bewegung gesetzt wurde. Ein Stopp verriet ihr, dass sie sich vor dem Raum befand, in dem die Party stattfand. Die Tür wurde geöffnet und sie konnte eine Gruppe junger Männer „Happy Birthday“ singen hören, dann setzte sich der Wagen wieder in Bewegung. Als sie hörte, wie die Tür sich schloss, sprang sie aus der Torte.

Sie war umringt von fünfzehn jungen Männern, die sie auf 16 bis 23 Jahre einschätzte, die sie anstarrten. Unbeirrt fing sie an anzüglich zu tanzen, während sich unter ihr ein Podest hochschob und sie aus der Torte beförderte.

Oben angekommen hob sie ihre Arme über den Kopf, drehte sich langsam im Kreis und ließ unauffällig einen daumennagelgroßen Glasbehälter fallen. Um sie herum wurden die Jugendlichen immer betrunkener – sie tanzte unbeirrt weiter.

Nach und nach fingen sie an einzuschlafen, bis alle auf ihren Stühlen, dem Boden oder aufeinander schliefen. Das Gas im Glasbehälter hatte seine Wirkung getan und die Gäste ausgeschaltet, während ihre Implantate sie vor dem Effekt schützten.

Am nächsten Morgen würden sämtliche Partygäste einen massiven Kater haben und sich an nichts erinnern. Was sie sicher als eine großartige Party werten würden.

Männer…

Sie streifte den Bikini ab und griff in die Torte, um ihren Tarnanzug herauszuholen. Der Anzug machte sie nicht wirklich unsichtbar, aber wenn sie still vor einer Wand stand, war sie mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Elektronische Überwachungseinrichtungen, wie Lichtschranken oder andere Arten von Sensoren wurden komplett getäuscht. Und während das Gebäude von außen von Kameras förmlich umringt war, wusste sie von Aufzeichnungen der Polizei aus Hausdurchsuchungen wegen Insiderhandels, dass sich im Haus keine Kameras befanden – und auch keine andersartigen Überwachungseinrichtungen. Die Matursis wollten nicht, dass jemand in ihr System einbrechen und Aufnahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten stehlen – oder dass die Polizei Beweise für ihren Insiderhandel finden – konnte.

Sie aktivierte die Audioverbindung ihrer Implantate.

„Polzer, ich bin drin.“

Polzer saß in einem der Kontrollräume im Geheimdiensthauptquartier, aber seine Stimme in ihrem Kopf war glasklar.

„Verstanden. Blaupausen, die die Polizei bei der Hausdurchsuchung erstellt hat sind… hochgeladen. Ich habe den Weg zum Büro eingezeichnet, du solltest es also ohne Probleme finden.“

Sie verbiss sich einen sarkastischen Kommentar und setzte sich in Bewegung. Die Tür raus nach links, vorbei an einem Brunnen, der in der Mitte einer Halle vor sich hinplätscherte, und durch eine von Miniaturpalmen eingerahmte Tür. Unterwegs verteilte sie ein paar Wanzen und schickte weitere mithilfe von Fingernagelgroßen Robotern aus, sich selbst einen Platz im Haus zu suchen.

Das Büro war leer und sie trat ein. Die Einrichtung war Antik. Ein schwerer Holzschreibtisch stand nahe der hinteren Wand, die rechte Seite war von Regalen mit echten Büchern geziert und links konnte sie Gemälde und Fotos von Künstlern sehen, die von ihren Implantaten auf das siebzehnte bis zweiundzwanzigste Jahrhundert datiert wurden. Das Fenster war von einem schwarzen, lichtundurchlässigen Vorhang verdeckt.

„Okay, ich bin im Büro.“

„Gut, wenn er seit der Hausdurchsuchung nichts geändert hat, befindet sich der Computer innerhalb des Schreibtischs. Du musst die Rückwand entfernen.“

„Verstanden.“

Mit ihren Fingern klopfte sie die Rückwand des Schreibtischs ab, bis sie einen hohlen Ton vernahm. Sie sah sich nach einer Öffnung um, in die sie ihre Finger stecken konnte, um die Verkleidung herauszunehmen, aber ohne Erfolg. Auch Druck brachte kein Ergebnis.

„Sagt der Bericht der Polizei irgendwas dazu, wie sie die Verkleidung entfernt haben?“

Polzer brauchte einen Moment, bis er antwortete.

Du hast bisher nicht einen Gedanken daran verschwendet den Polizeibericht auf die Information zu durchsuchen? Verdammt, wie dämlich bist du?

Trotz dieser Gedanken, blieb sie ruhig und sagte nichts. Polzer anzuschnauzen würde ihr auch nicht weiterhelfen und sie hatte keine Zeit für einen Streit.

„Nein, hier steht nichts. Gib deinen Videouplink frei, ich will mir das einmal ansehen.“

Sie gab den Uplink frei und lief den Schreibtisch einmal komplett ringsherum ab, kroch unter ihn und achtete darauf wirklich jeden Winkel einmal genau anzusehen. Polzer würde sich aus den gesendeten Bildern ein 3D-Model basteln und sich das dann genauer und vergrößert ansehen, während ein Computer ebenfalls alles absuchte. Zumindest ging Ranai davon aus, dass er das tun würde, es war immerhin die Standard Vorgehensweise.

Als er sich wieder meldete, war ihm deutlich anzuhören, wie stolz er auf sich war.

„Unterhalb des Schreibtischs in der linken hinteren Ecke ist eine kleine Stelle, die du drücken können solltest. Das sollte die Verkleidung öffnen.“

Zu viele „sollte“ für Ranais Geschmack, aber sie versuchte es trotzdem. Zu ihrer Überraschung hatte Polzer Recht. Sie hörte ein klacken und als sie wieder um den Schreibtisch herum war, war die Verkleidung offen.

Sie zog den kleinen Computer heraus und öffnete ihn mithilfe des Werkzeugs, das sie für diese Aufgabe im Tarnanzug verstaut hatte. Die Daten zu kopieren würde ihr nicht helfen. Als die Polizei das versucht hatte, hatte eine Sicherheitsvorkehrung sämtliche Daten gelöscht. Stattdessen klemmte sie eine Wanze direkt an den Hauptprozessor, die auf die Art das Passwort mitschneiden und dann nach und nach sämtliche Daten auf dem Gerät an einen Server des Geheimdiensts schicken würde.

Als sie alles wieder ordentlich verbaut hatte, machte sie sich zurück zur Party. Dort angekommen zog sie den Tarnanzug wieder aus und verstaute ihn in der Torte. Als nächstes musste der Alkohol und die Drogen dran glauben, es war noch viel zu viel übrig, um den Kater und die Gedächtnislücken zu erklären, unter denen die Jugendlichen am nächsten Morgen leiden würden. Sie kippte alles in die Toilette und spülte mehrmals nach, damit keine Rückstände übrigblieben. Dann legte sie ihren Bikini auf das Gesicht des Geburtstagskindes und sich selbst unter den Arm eines der Gäste. Sollten sie sich am nächsten Morgen doch um sie streiten. Auf dem Weg zurück zum Partyraum hatte sie ihren Videouplink wieder deaktiviert. Sie hatte kein Problem damit, wenn sie jemand anderes nackt sah, aber sie gönnte Polzer diesen Anblick nicht.

Zufrieden mit ihrer Arbeit schlief sie ein.